Melle. Zum Thema „Grüne Energiepolitik in Zeiten der Klimakrise“ begrüßte der Fraktionsvorsitzende der Ratsfraktion von Bündnis90/Die Grünen, Alfred Reehuis, eine interessierte Zuhörerschaft im Forum Melle.
Eingeladen waren die energiepolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90 / Die Grünen, Dr. Julia Verlinden, und Anna Kebschull, die Kandidatin der Grünen für den Posten als Landrätin.
Mit der optimistischen Aussage „Die Energiewende ist gar nicht so schwer, man muss es nur wollen“, begann Julia Verlinden ihren Vortrag. Treibende Kraft für den Ausbau der Erneuerbaren Energien sei der durch die Menschheit verursachte Temperaturanstieg durch Treibhausgase. Die Folgen seien bereits heute spürbar, wie z.B. die Zunahme von Extremwetterereignissen, längere Dürreperioden, schmelzende Gletscher und Polkappen sowie der damit verbundende Anstieg des Meeresspiegels.
Den volkswirtschaftlichen Gesamtschaden der Klimakrise in Deutschland bis 2050 bezifferte die Abgeordnete auf 800 Milliarden Euro, sofern keine Gegenmaßnahmen getroffen würden. Der CO2 Ausstoß müsste bis 2050 um 95% reduziert werden, um die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen.
Fakt sei aber, dass die Treibhausgasemissionen in Deutschland in den letzten neun Jahren nicht gesunken seien und unser Land seine selbst gesteckten Klimaziele für 2020 deutlich verfehlen werde. „Es gibt also einen Riesenhandlungsbedarf“, betonte Julia Verlinden.
Lediglich im Stromsektor sei der Anteil der erneuerbaren Energien auf 38 Prozent gestiegen, im Bereich Wärme und Verkehr stagniere der Anteil auf niedrigem Niveau bei 5 und 13 Prozent. Im europäischen Vergleich rangiere Deutschland mit diesen Werten nur auf Platz 18, hinter Ländern wie z.B. Bulgarien, Dänemark, Estland oder Litauen.
Um den CO2 – Anstieg zu reduzieren, stehe Energieeinsparung und Effizienzsteigerung an vorderster Stelle, insbesondere im Bereich Wärme, bei Gebäuden und im Verkehrssektor. Nach Vorstellung der Grünen müssten außerdem die zwanzig schmutzigsten Kraftwerksblöcke sofort abgeschaltet werden und der gesamte Kohleausstieg bis 2030 vollendet sein.
Zusätzlich müsse massiv investiert werden, um den Anteil der erneuerbaren Energien zu erhöhen. Nach eigenen Berechnungen bräuchte es einen Mix an vielfältigen Energieformen, um im Strom- und Wärmebereich die fossilen Energieträger zu hundert Prozent durch alternative Energien zu ersetzen. Neben Windenergie und Photovoltaik müssten auch Solarthermie sowie die Ökostrom- und Umweltwärme eine deutlich größere Rolle spielen.
Zusätzlich sollte die Erzeugung und der Einsatz synthetischer Gase und Kraftstoffe – Power-to-X Technologie – weiter voran getrieben werden.
Im Bereich Verkehr könne die Reduzierung der Emissionen nicht nur durch Elektroautos gelöst werden. Ein verbesserter ÖPNV, eine Stärkung der Bahn und ein Ausbau der Rad-Infrastruktur müssten eine wichtigere Rolle spielen. Auch ein Tempolimit sollte einen Beitrag leisten.
Die Kreistagsabgeordnete Anna Kebschull befürwortete den weiteren Ausbau der Windenergie auch im Landkreis Osnabrück. Allerdings sollten die Anlagen nicht von einer Gesellschaft des Landkreises, sondern genossenschaftlich von Bürgern gebaut und betrieben werden. „So könnte man auch die Akzeptanz der Windenergie erhöhen“, meinte die Landratskandidatin.
Als ihr Hauptanliegen bezeichnete Kebschull den deutlichen Ausbau des ÖPNV im Landkreis. Die Strecken ins Oberzentrum aber vor allem auch Querverbindungen zwischen den Landkreisorten müssten besser bedient werden. Nicht nur Schüler, sondern langfristig auch alle Bürgerinnen und Bürger sollten den Nahverkehr kostenfrei nutzen können, denn nur so könne man eine Mobilitätswende erreichen. Dazu müsse sich der Landkreis als Modellregion bewerben.
„Das klingt für mich wie Planwirtschaft“, kritisierte Julia Verlinden in der anschließenden Diskussion die von der Großen Koalition beschlossene Deckelung des weiteren Ausbaus der Erneuerbaren Energien. „Hier wird eine in Anfängen erfolgreiche Energiewende zurückabgewickelt“; so ihr Statement. Arbeitsplätze würden abgebaut, Investitionen in neue Anlagen oder Verbesserung alter – „Repowering“ – verhindert. Auf diese Weise könne Deutschland die von der EU gesetzten Klimaziele nicht erreichen und es stünden –zig Milliarden an Strafzahlungen im Raum.
Abschließend forderte die Bundestagsabgeordnete auf, zur Europawahl zu gehen, denn „auf europäischer Ebene kann man die Energiewende mit Nachdruck voranbringen, oft auch gegen die Politik der derzeitigen Bundesregierung.“